Mittwoch, den 13. December.

I86L.

DiescS Blatt erscheint wöchentlich zweimal. Mittwochs und Sonnabends. Preis pro Quartal 7Vs Groschen- Inserate finden Dienstag resst Freitag bis 4 Uhr Nachmittags Aufnahme.Die gespaltene Pctitzeike kostet I Groschen. ,

Mn -Familiengeheimniß.

Erzählung von Ernst Willkomm.

(Fortsetzung.)

6 .

Ein Gespräch mit dem Arzte.

Es vergingen eiinge Tage, ehe Straßbcrg das Vernommene ganz in sich verarbeiten konnte. Der alte Gras, mehr noch die räthseihaste Levntine wurden ihm aber immer interessanter. Man­ches in den Eröffnungen Cordelias erregte ihm erst später, als er ungestört darüber Nachdenken konnte. Bedenken. Er halft Leon- tine weder a» dein Abende, wo sie sich in den Salon der Gräfin drängte, noch bei der nenlichen Unterredung eigenttick unglücklich gesehen. Was das ungewöhnlich schöne Mädchen peinigte und ini Innersten erbitterte, schien ihm eine tiefe, mit Gewalt zurück- gedrängte Leidenschaft zu sein. Ferner glaubte Onno in dem fließenden Vorfrage der Gräfin etwas sehr Berechnetes, im Vor­aus reiflich Ueberlegtcs entdeckt zu haben, und dies berührte ihn unangenehm. Er mar gzgen die junge Frau ganz offen gewesen und halte sich ihr in jeder Hinsicht als uneigennütziger Freund gezeigt. Verdiente er dafür von ihr durch bittende Blicke und zuckersüße Morte getäuscht zu werden?

Der Gedanke, Alles könne Lüge und zu irgend einein ihm verborgen gebliebenen Zivecke absichlbck erfunden sein, bennrnhnfte Onno fortwährend, und hätte er die Grasen Ebvldsheim genauer gekannt, so würde er vielleicht Andeutungen der bedenklichsten Art in ihrem Beisein habe» fallen lassen, um sie selbst zu Gegen- änßernngen heraus;,,fordern..

. Doctor am Ende schien Straßbcrg absichtlich anszuweicken. Früher hatte er den vielbeschäftigten Arzt, der seine meiste PrariS in ,i>ittrvkratischen Familie» hakte, oft im Einb getroffen, der von der Mehrzahl aller intelligenten Lenlc der Residenz besucht ward. Seit dem nei,licken Gespräche mit ihm fehlte er in diesem Circel oder er meißle zu einer Z.it daselbst emtrelcii, wo der Rcgimcnts- Anditenr nie zu kommen pflegte. In dieser Vermuchnng bestärkte Onno die Aenßcrnng Mehrerer, die fick über einen AnSsprnch des gelehrten Arztes unterhielten, ohne über die Worte einig werden zu können, welche Doctor am Ende nach Beiher Meinung ge­braucht haben sollte.

Wozu nützt es, daß mir nnS ereifern/' sagte der Eine ab- bceckend.Heilte Abend, wenn er ans dem Jrreuhaase zurück- kehrt, sehen wir ihn dock. Dann endigt eure einfache Frage den ganzen Streit."

Straßbcrg entging keine Silbe. Doctor am Ende war nicht Irrenarzt und dock halte er u» Irren Hause zu thiru ? Es wuß­ten dies Fremde oder dock Personen, welche dem Arzte nicht gerade nahe standen, m tlun mußte dieser schon mehrmals wie 'S schien allabendlich in, Irrcnbansc gewesen sein.

Der Doctor soll mir Rede stehen, sagte Onno z» sich gelbst, üns die ganze Wahrsten will ich ihm anspressen und sollte ich'zu Drohungen mciiie Zuflucht nehmen müsse»!

Der Zufall war dem RegimentS-AudNcnr günstig. Es gab einmal wenig z thnn ans dem Bnrcan, und da Onno Alles daran lag, den Arzt auch wirklich zli treffen, ging er nickt erst in seine Wohnung, sondern sogleich in das Clnbloeal. Tics war noch stark frcqnentnt, mithin auch sehr geräuschvoll. Onno wollte aber ungestört sein und flnckiete sich deshalb in ein kleines Cabi- uet, das allgemein de» Beinamendie Kammer" führte, weil in de» besuchtesten Lcftstundcn einige der lautesten Politiker hier über die neuesten Weltbe-ch-,»heilen lange Debatte» zu halten pflegte». Jetzt warPasWck'S 't leer und eignete sich vortrefflich für einen

Menschen, der unbemerkt in der Stille alle Andere beobachten wollte. - "

Es mochte ziemlich eine Stunde vergangen sein, als Ouuo die ihm bekannte Stimme Brand's, des jungen talentvollen Whst? rechs hörte, den er schon längst'kannte und mit dem er un Hotel Ebvldsheim unerwartet znsammengetrvsftn war.

Einige noch im Elnb anwesende Officiece redeten Brand an. erhielten aber nur kurze Antworten, die der Fähnrich, mit seiner Eile zu entschuldigen fick angeiegen sein ließ. -

Kann der junge Mann zu dieser Stunde noch Eile haben? dachte Onno, verließ seinen bequemen Winkel, in derKammer" und trat in das hell erleuchtete große Lesezimmer, wo noch immer einige zwanzig Personen an verschiedenen Tischen in Zeitungen mehr blätterten als lasen.

(Fortsetzung fvlgt.)

Zur Trichinen-Krankheit.

Man stößt hinsichtlich dieser gräßlichen Krankheit im Publikum noch auf so viele Zweifel und so großen Unglauben, daß mw.es? süp unsere Pflicht halten, nach Möglichkeit zur Aufklärung beizutragen. Hiezu scheint uns namentlich nachstehender Artitel vom Physikus lDpc- tvr Hüter in Eschwege geeignet. Derselbe sagt: - z ....

Nachdem im Monat Januar d. I. auf einem Gute in der Nabe Eschwege's die Trichüienkrankheit unter den Bewohnern desselben beob­achtet worden, sind in jüngster Zeit in dem Dorfe Langenhain bei Eschwege zwei Fälle derselben Krankheit vorgekommen, welche die all­gemeinste Beachtung verdienen. In jener kleinen Epidemie auf dem Gute waren die Erkrankungen leicht und es kam kein Todesfall vor,' weil es gelungen war,, die Ursache der Krankheit sofort zu entdecken, und der weitere Genuß trichmenhaltiger Wurst vermieden wurde. '

Die beiden Fälle in Langenhain sind ernsterer Art.. Zwei junge Leute (ein Soldat und ein Zimmcrgeselle) hatten in Kassel wiederholt gehacktes Schweinefleisch roh genossen > im Monat September waren daraus erkrankt und im Anfang des Monats October von Kassel abgereist. Den 24. October kamen beide Kranke in die Behandlung des Unterzeichneten. Die Krankheit wurde alsbald erkannt und durch mikroskopische Untersuchung von Muskelfleisch, das den Kranken aus­geschnitten worden, bestätigt. Das Muchelfleisch zeigte zahllose frisch eingewanderte Trichinen.

Die Krankheit der beiden jungen Leute hatte eine enorme Höhe erreicht, da dem unbekannten Feinde freier Spielraum bisher geblieben war. Unfähig zu irgend welcher Bewegung des Rumpfes und der Beine, mit geschwollenen Gliedmaßen nnv mit schauderhafte» Schmel­zen lagen die beiden Unglücklichen steif wie ein Scheit Holz. Kein Wunder, denn ihre Muskeln waren so mit Trichinen ungefüllt, daß in einem kleinen Stückchen Fleisch von der Größe einces Stecknadelknvpfs 25 bis 80 lebende TrichrneL ihr We­sen trieben.

Einer der'Patienten starb am 29. October, der andere lebt heute noch, ist bis'zum Skelett abgemagcrt, wird aber wahrscheinlich mit dem Leben davoukommen.

Die Krankheit in dieser Gestalt ist eine ganz entsetzliche und das Publikum ist nicht ernstlich genug auf die Gefahr der Jnfectiou durch Trichinen aufmerksam zu machen. Es herrscht leider, trotz der trau­rigen Erfahrungen, die bisher gemacht worden, immer noch viel Zwei­fel an dem Vorkommen von Trichinenkrankheit bei den Menschen/ lind es liegt die Ursache davon Heils im Mangel an Einsicht, theilsaim Eigennutz. Dieser Zweifel wird noch viele Opfer fordern. Gar Mancher wird noch sterben, noch Mehrere werden dauernd schwach und elend werden, weil ihnen die Trichinen eine Fabel und die Tri- chinenkr'ankheit eine alberne Erfindung der Aerzte -Mr und Weil.selbst Götter gegen die Dummheit vergebens kämpfen. 7 c Bei-/deür Mangel