M 101.

Mittwoch, den 20. December.

1865.

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Die Redaction.

Zur Trichinenkrankheit.

(Eingefand t.)

Die Trichinen-Krankheit, eine in neuerer Zeit aufgetauchte höchst gefährliche,, Angst und Schrecken erregende Krankheit, ist schon so oft in den zeitigen Tagesblättern in einer so beängstigenden Weise beleuch­tet, und ist über deren Wesen schon so bestimmt abgeurthcilt, daß ihr noch von gar Vielen bestrittenes Bestehen wohl nicht auf Täuschung oder Einbildung beruht und die wirkliche Existenz dieser Krankheit ge­wiß nicht mehr zweifelhaft sein kann. Es mahnt uns dies jedenfalls hinsichtlich des Schweinefleisch- und Schweineblut-Genusses zur größten Vorsicht nnd darum zu einer vorhergehenden genauen, sorgfältigen, nii- kroskopischen Prüfung desselben, um einer solch verheerenden Krankheit, die so abschreckend in ihren Symptomen ist, vorzubengen.

Ob daS Entstehen dieser Furcht erregenden Krankheit der neueren Zeit znzuschrciben ist, oder dieselbe, als ihren Ursachen nach unbekannt oder auch vielleicht unter anderer Symptomen-Zeigung, schon einer älteren Periode angehört, will Einsender dahingestellt sein lassen, er glaubt aber ans Probabilitätvgrüuden behaupten zu dürfen, daß sie niit den Attraxkrankheiten in nächster Verwandtschaft steht.

Es ist in jüngster Zeit die höchst merkwürdige Entdeckung gemacht (und dieser Theorie haben auch schon seit uralten Zeiten Aerzte und Naturforscher gehuldigt),, daß gewisse contagiöse Krankheiten, wie Milz­brand, heftige epidemische Fieber, orientalische Buboncupest und Cholera, durch nur mikroskopisch erkennbare Thierchen erzeugt werden.

Diese für die Arzneiwissenschaft nnd die leidende Menschheit, und selbst die wirthschastlichen Interessen so sehr begünstigende, Entdeckung ist dadurch zu Tage getreten, daß von mehreren Aerzteu mikroskopische Prüfungen und Untersuchungen deS Blutes vieler an Milzbrand und andern Seuchen erkrankter Thiere vorgenommen und in demselben Mil­lionen von Bacterien gefunden wurden- (Je näher die Thiere dem Tode, desto mehr Bacterien waren sichtbar.)

Es wurde demnach der Versuch gemacht, Blut von au dieser Art Krantheit leidenden Thieren, ganz gesunden eiuzuimpscn. Innerhalb drei Tagen war das geimpfte Thier todt. Dieses Experiment wurde vielfach wiederholt und blieb der Erfolg immer derselbe. Auch wurde die Impfung mit der Modisication vollzogen, daß man das Blut solch kranker Thiere von einer auf die andere Thierart übertrug. In allen diesen Fallen war das Resultat gleich und blieb der Tod nie länger aus, als drei Tage. Selbst mit dem in Fäulniß übergegangcncn Blute an solcher Krankheit gestorbener Thiere wurden Impfungen angestellt; hier war aber daS Ergebuiß ein ganz entgegengesetztes, denn es hatte diese Impfung keine Bacterien - Jnfcction, nicht mal ein Erkranktsein, viel weniger einen Todesfall zur Folge. AlS Gegenprobe wurde,daS Blut von ganz gesunden, getödteten Thieren mikroskopisch/untersucht: es waren keine Bacterien darin vorhanden.

Früher wurde die Behauptung aufgestellt, .daß diese Jnfusions- Bacterien Product derart kranken, in Fäulniß übergegangcncn Blu­tes seien; dies ist nun aber durch die, bei diesen Versuchen gemachten Beobachtungen und Erfahrungen genügend widerlegt, indem sich heraus­stellte, daß dieselben Ursache der Gährnng sind. Daher kommt es auch, daß in ranziger Butter Vibrationen gesehen werden.

Mit dem ciutretendcn Tode hört deS Thiercs die Vermehrung ^ der Bacterien ans. Wird Blut längere Zeit anfbewahrt, so gehen bei eingetretener Fäulnis; die Bacterien, zu Grunde und lösen sich ganz ans,

und hiebei geht auch die Fortpflanzungsfähigkeit auf andere Thiere ver­loren.

Die gleich nach dem Tode vorgrnommene Autopsie läßt in keinem O rgaue normale Veränderungen wahrnehmeu. Das Herz und die gro­ßen Gefäße sind mit dicht geronnenen Blurmassm angefüllt. Die Ge­rinnung des Blutes scheint die einzige wirksame Ursache des Todes abzugeben. Schon in noch lebendem Zustande werden Spuren begin­nender Gerinnung gesehen, indem die Blutkügclchen an einander geklebt erscheinen. >,

Die Bacterien entwickeln sich im Blute selbst und in keinem eigens hierzu bestimmten speciellen Organe. Wenn es durch angestrengtes Nachsehen gelingt, schon zu Anfang der Ansteckung solcher Krankheit einige dieser Thierchen aufzufinden, so sind sie immer sehr klein und in sehr geringer Menge vorhanden, aber sie vergrößern und vermehren sich außerordentlich schnell und in so bewunderungswürdigem Maaß- stabe, daß innerhalb weniger Stunden viele Millionen Bacterien in dem kranken Blute entstehen. In kranken Blutkügelchen von Senfkorn Größe findet man zehn bis zwanzig dieser Thierchen.

Unter den Organen, welche ihres größeren Blutgehalts wegen eine Anzahl Bacterien anfznweisen haben, steht die Milz oben an. Ihre Structur ist nicht verändert, aber sie ist größer als im gesunden Zu­stande, und enthält eine größere Menge Bacterien, weil sie das meiste Blnt aufnimmt. Nächst der Milz enthalten die Lunge, die Leber nnd die Nieren die meisten, Muskeln .und Drüsen dagegen die wenigsten Bacterien, immer im Verhältnis; zu der in diesen Organen enthaltenen Blutmenge.

Diese Bacterien erscheinen als freie, runde, sehr dünne Faden von 4 bis 12 Millimetres Länge (t Millimetre ca. Linien.) Die längsten derselben haben zwei, stumpfe Winkel bildende, Haken. Bei sehr starker Vergrößerung sieht man auch Spuren von Segmenten. Sie haben keine selbstständige Bewegung. Getrocknet bleibt ihre Form und Coiisistenz unverändert. Conccntrirte Auslösungen von Schwefel­säure nnd kaustische Lange, sowie Siedehitze zerstören sie nicht. Bei beginnender Fäulniß werden die Segmente deutlich, allmälig fallen die­selben in Stücke und bei vollkommener Fäulniß werden dieselben ganz aufgelöst. Dies allein schon stellt eine auffallende Verschiedenheit von denjenigen Infusorien dar, welche gewöhnlich in faulenden Substanzen sich bilden, außer der, daß sie schon in lebendem Blute gefunden werden, nnd der charakteristische Geruch der Fäulniß auch nicht bemerkt wird.

Von dem Augenblick der Jnöcnlation bis zu der Zeit, wo die Bacterien im Blute sichtbar werden, ist an den geimpften Thieren irgend etwas Krankhaftes durchaus nicht zu bemerken. Diese gemachte Beobachtung zeigt deutlich, daß die Erscheinung der Bacterien mit dem Auftreten der Krankheit znsamiiienfällt, nnd kann daher nur solche Krankheit wohl mit Recht als von den Bacterien abhängig angesehen werden.

Hiernach besitzen wir Kcnntniß einer unlängbaren Thatsache, daß im lebenden Blnte von Thieren, die an einer ihrer Ursache nach bisher ganz unbekannten Seuche dahin gerafft werden, lebende, nur durch daS Mikroskop wahrnehmbare Thierchen vorhanden sind oder nachgewiescn werden können.

Ans allem Vorstehenden scheint demnach die Wahrscheinlichkeit her- vorznlenchten, daß möglicher Weise auch die Trichinen-Krankh'eit durch im Blute sich entwickelnde Thierchen bedingt oder hcrvorgernsen wird.