.HA 182. Sonnabend, den 23. Dccember. 1865
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Die Redaction.
Horch. Feierklänge schallen vom metall'ncn Munde.
Es naht der heil'ge Abend, die geweihte Nacht! ls schönes Echo schallt's von jener frohen Kunde.
Die Engel einst den Hirten Bethlehems gebracht.
Oer hehre Klang auf leichten, auf des Acthers Schwingen, Er tönt zur Erd' hernieder, hinauf zum Wolkenthron!
Es tönt wie Engelsgruß, wenn uns're Glocken klingen.
Zu preisen Gott den Vater, der liebend gab den Sohn-
lud nah und fern erschalltes den Hütten wie den Thronen, Man lauscht der Feierklänge auf Erden weit und breit: Es naht das froh'stc Fest der Christheit Millionen,
Und ringsum lauter Jubel und reinste Seligkeit!
Du lieblich schönes Fest zu Gottes Lob und Preise,
Dich grüßt ans froher Brust die ganze Christenheit,
Zoll freudigen Gefühls, vom Kinde bis zum Greise,
Wenn Weihnacht wicderkehrt im Flug der raschen Zeit.
Dann Jeder will erfreu» und Liebesgaben spenden,
Es will die Liebe walten, erfüllend uns're Brust.
Wir danken für Empfang ans liebevollen Händen,
Und gerne geben wir mit wunderbarer Lust.
Wer kalt und finster bleibt in frohen Weihnachtsstundcn, Dcß Herz zu einer Liebesgabe nicht bereit.
Der hat der Liebe Wnnderkraft noch nicht empfunden, -- O Bettler, reicher Du, wenn Dich Empfang erfreut.
Wie schön, wenn wir nach uralt' heimathlicher Sitte Am heil'gen Abend auf die Liebesgaben sehn,
Jnr Lichterglanz des Tannenbaums —- prachtvolle Mitte — Mit jubelndem Frohlocken uns're Kinder stehn. -
Den Kindern schafft das Fest die reinste Freud' und Wonne, Des Lebens Tiefen haben sie noch nicht gesehn;
Q, laßt sie jubeln in des Lebens Maiensonne,
O, möchten sie das Fest so frohen Blicks stets sehn.
Weihnächte n.
Wohl Mancher stiehlt sich trüben Blick'S aus frohen: Kreise, Es brennt die Wunde heiß, zu tief der herbe Schmerz: Ihr Tiefbetrübten bleibt, — Euch naht ein Engel leise Mit reichem LiebeStrost für's kummervolle Herz.
H. Sch.
Mu Fal«ilie»gehci»nriH.
Erzählung von Ernst Willkomm.
(Fortsetzung.)
aS Fräulein ist wahrscheinlich auch in der tvScamfchen idt geboren?'-
gendwo i» Italien erblickte sic das Licht der Welt," fuhr anfchcmcnd ohne besonderes Interesse der Arzt fort, „den Ort ihrer Geburt kenne ich wirklich selbst nicht, weil ich mch niemals darnach erkundigt habe. Die Ehe mar leider keine glückliche. DaS junge Paar zog einige Jahre lang — inan sagtabe»- tenernd — in der Welt herum und — nnd trennte sich schließlich. Der Marchese verscholl, nach einer anderen Lesart siel er an einem Duell. Die von ihm getäuschte Frau suchte Schutz bei ihrem Bruder, der bereits seit Jahr und Tag Gesandter in Neapel war. Graf Oltfried gewährte diesen der verlassenen Schwester um so lieber, als er seine Gattin kur; vorher durch den Tod verloren hatte. Drei oder vier Jahre später endlich kam auch Leontinr zu ihrem Oheim, der sie bald zärtlich liebte und, da er selbst keine Tochter besaß , dem aufgeweckten Kinde seinen eigenen Namen zu geben wünschte. Ans Familienrücksichten war eine Adoption Leontim'S nicht zu empfehlen. Dem Grafen
leuchtete das ein und die Sache unterblieb. Seil der Zeit aber bemerkte man eine stille Schwermuth an dem bis dahin gesellschaftlich lebhaften und gewandten Manne, die sich mit jedem Monate verschlimmerte und endlich sich in der Einbildung verfestigte, welche sic ans den Mitthcilungen der Frau Gräfin kennen werden."
Doctor am Ende schwieg und warf dabei durch die großen Gläser seiner Brrlle einen jener blitzend scharfen Micke,: durch welche sein Auge sich von dem hundert anderer Menschen schärf unterschied.
„Allerdings," crwiedcrte Ouno von Straßberg, „doch will ich nicht verschweigen, daß mir in den gemachten MiltheilungenWan- chcS etwas räthselhast oder, wenn Sie lieber wollen, nnmvtivilt vvrkommt."
„Fire Ideen, die gewöhnlich in stillen Wahnsinn übergeben, sind selten mvtivirt," entgegnete der Doctor.
„Ich möchte daS bestreiten und, wenn ich Zeit hätte, mihJhnrn, lieber Doctor darüber disputiren. Augenblicklich bin ich abgehal- tcu, mich tiefer mit dieser interessanten Frage zu beschäftigen. Wie ich bemerke, sind Sie ebenfalls pressirt. Deßhalb will ich Sie nicht länger aufhalten. sondern: Sie nur noch mit Per einen Frage, um deren Beantwortung-ich Sie bitte, belästigen: Lebte die Familie der Eboldsheim stets in giikcm Friede» zusammen oder gab eS, wie das ja häufig hei Erbtheilnftgen Vorkommt, Streitig-
