km unter dm einzelnen Familiengliedern, dir später in offene' oder geheime Feindseligkeit auSarteten?"
„Um Vergebung, Herr RcgimentS-Auditenr," versetzte daraus mit spitzem Lächeln dcw-Dvctvr, „als ahncnreicher Edelmann sind Sic von den Gcheimgeschichtc» unserer ältesten Adelsgeschlechter gewiß besser, unterrichtet, als ich. Der Arzt wird in vorncbinen Häusern immer nur bedingungsweise eine Art GcwissenSrath; du Vorzüge des Beichtvaters gewährt man ibm höchstens im Augenblick eines gewaltsam cindrängendc» Unglücks."
Er ergriff seinen Stock und wollte den Club wieder verlassen.
„Nur ein Wort noch, Doctvr!" sprach Onno, ihn znriickbal- tend. „Ist Graf Eboldshcim seines Zustandes sich beionßt, oder richtiger, ahnt er, daß man ihn für geisteskrank hält?"
, „Er nhnt, daß ihm von seiner ganzen Umgebung Niemand traut ..."
„Richtig, Doctvr! Sic haben da ein vollkommen wahres Wort gesprochen! Man fühlt es dem alten Herrn an, daß >r sich von lauter Spione» umgeben glaubt. DaS ist freilich ohne Zweifel auch eine fire Jdc,c aber sic läßt sich jedenfalls lcicht mv- tiviren."
„Sie irren, wcrthcr Freund! Der Graf hat durchaus keine Ursache, seiner Umgebung zu mißtrauen."
.„Ich werde das von heute an untersuchen, Doctvr!"
Die Thüre zu dem lauschigen Cabinet öffnete sich jetzt langsam, und daS blasse, leidenschaftliche Gesicht deS jungen Fähnrichs zeigte sich an dem Spalte. August Brand wollte sich nach dem NegimcntS-Anditcnr uinscheii.
„DnS wollten Sie thnn?" gcgmfragte der Arzt, abermals einen langen, scharfen Blick auf Onno heftend. „Ick fürchte, Sie gedenken da ctwaö ganz Unausführbares zu unternehmen."
„DaS Allcrleichteffe von der Welt, meine ich," versetzte Straßberg in zuversichtlichem Tone »nd ausgesprochener Entschlossenheit in seinem Wesen. „Der Graf soll erfahren, daß er nur unbedingt vertrauen darf! . . . Ich werde ihm erzählen ..."
Ein krampfhafter Händedruck des Arztes machte ihn vcrsinm- nnn. Der Blick deS DoctorS dnrchbohrle ihn mit flammender Gewalt.
„Sie werde» schweigen!" unterbrach ihm nun flüsternd Doctvr am Ende. „Gerade unzcitige Plauderer und allzu Neugierige
muß ma» frühzeitig unschädlich machen . . . Und Sic wissen doch,
daß solche Personen als unter der Einwirkung einer flrcn Idee
stehend, in sickere Verwahrung genommen und ans Befehl der Aerzte unter Aufffcht gestellt werden dürfen? .... Ich empfehle Ihnen deshalb Vorsicht im Sprechen und Handeln, lieber Herr von Strußberg, und wünsche von ganzem Herzen, daß Sie sich nickt so lange in einen Gedanken vertiefen, b,S er Ihnen eben
falls zur fixen Idee werden kann!"
Er verbeugte Ich- lächelnd vor dem Rcgimcnts-Anditcur, der dem Fortgehende» staunend und entsetzt zugleich »acksah. Da siel sein Blick wieder ans daS unruhige Gesicht des Fähnrichs, der seines NatheS so sehr zu bedürfen behauptete.
„Ich werde mich vor dein Doetor in Acht nehmen," murmelte er in uch hinein, das Lesezimmer langsam durchschreitend. „Wenn ich ihn mehr als einen Feind, der mir und wahrscheinlich auch Andern Fallen stellt, betrachte, so schütze ick mich nur selbst und erhalte mich denen, die vielleicht in nächster Zukunft schon der Hülfe eines ehrlichen Und uneigcnniigigen Freundes bedürfen."
(Fortsetzung folgt.)
^ Es spukt vor.
Scene aus dem Leben.
„Gott im Himmel! Was ist da wieder Passtet! Soll man denn nie im Leben ans Angst und Sorge hcranskommen?" hörte ich nebenan im Wohnzimmer die Gattin jammern.
Erschrocken warf ich die.Feder hin, erhob mich anS dem Sessel vor dem Schreibtische — mitten aus einer begonnenen effcctvvllen Satzperiode heraus — und eilte zur Unglücksstältc hinüber, mir schon alle möglichen häuslich-ehestandlichen Calamitäten äiismalend, die mein Auge erblicken und mein Ohr vernehmen würde.
Und da stand meine arme Frau, das Gesicht weiß wie ein Blatt Papier, die Glieder zitternd, an das Sopha gelehnt, vor welchem sie eben den Frühstückstisch hatte rüsten wollen.
Denke Dir, Hermann , der Papa — unser guter Papa-. .. . stammelte sic.
„Was ist mit dem Papa?".frag ich. „Er schreibt uns doch nicht, etwa seinen Besuch ab? daS wäre mir in der That sehr leid. . . und die Jungen, wie haben die sich schon lange aus den Großpapa gefreut!"
„Ach, wenn eS mir das wäre!" seufzte Anna, meine Ehehälfte. „Der gute, gute Papa!" . . . fuhr sie fort und sank schluchzend in die Kissen des Sophas. -.
Mir begann selbst bang zn werden. „Sollte der liebe, alte Schwiegervater krank geworden'sein?" dacht' ich, da fiel mein Blick ans eine
Photographie, die Anna in der Hand hielt — es war.das Porträt ihres Vaters; daS über, dem Sopha zu hängen.pflegte. Jetzt ging mir ein Licht auf, — denn ich bemerkte, daß der Nagel fehlte, dcr cs hielt., - . , ,,
Ich wartete, bis sich' die- Aufgeregte etwaD beruhigt hatte.
„Jetzt, Anna, sag' mir,, waö passirt ist ," sprach , ich- dann in ern- , stem Töne. / , ,
„Ach, Hermannbegann meine Frau, noch immer leise.weinend, während sie mich mit einem AuSdrncke höchster Angst ansah, „wie ich vorhin in die Stube kam — Du weißt, seit gestern AbÄd ist kein Mensch darin gewesen, auch Hanne nicht, die immer erst nach dem Frühstück daS Zimmer kehrt — da . . . da . . . liegt die Photographie hier ans dem Sopha und der Nagel ist ans der Wand herausfallen . . . und doch ist Niemand an das Bild gekommen, .hat.Niemand an die Wand gerührt..."
„Und da denkst du, kleiner Aberglaube, daß zehn Meilen davon dem Papa etwas zngestoßcn und sein Bild das Mittel ist , durch das sich seine Seele mit uns in Rapport setzt, um in correcter Gcister- sehersprache mich anszudrücken, nicht wahr, Herz?"
„Natürlich, natürlich," fiel Anna mit ersichtlichem Unwillen ob meiner leichtfertigen Neckerei ein, .„natürlich ist dem lieben Papa etwas passirt, ... er ist krank, sehr krank, wenn nicht gar schon . . . todt!" und abermals erschütterte ein krampfhaftes Weinen die Arme.
„Aber, liebes Kind," entgegnete ich gelassen, „wie oft habe ich nicht schon gegen all den Unsinn gepredigt, mit welchem dn dich so ohne Noth ängstigest, gegen deine ominösen Dreizehn am Tisch, gegen den Unheil bringenden Freitag, gegen die weissagenden Träume in den zwölf Nächten vom Christabend bis zum DreitönigStage, gegen die rechts- oder linksseitige Begegnung der Schafe, und was sonst noch für dummes Zeug — nimm mir das Wort nicht übel, Beste! — deine reiche Aberglanbcnsschatzkammcr füllt. Kannst du dich denn gar nicht einmal losmachen vom Spuk dieser Ammenmärchen und Kindcr- stnbcngeschichtcn?"
„Ammenmärchen?" versetzte die Gattin einigermaßen gekränkt; ,,eS ist kein Ammenmärchen, wenn hier auf einmal. Papas Bild von der Wand hernntcrfällt, so ganz von selbst, ohne daß irgendwer mir im Zimmer gewesen ist; das ist vielmehr sehr positive Wirklichkeit. Und ich sage dir, Hermann, das bedeutet daS Allernnglücklichstc, — —. ich zittere, wenn draußen die Klingel geht; jeden Augenblick kann die Depesche kommen, sie wird kommen,-verlaß dich darauf!" und ein neuer SchmerzcnSansbnich erfolgte.
Es kostete mich schwere Mühe, die Geduld z» bewahren, doch ich that cs.
„Anna," sagte ich beschwichtigend, „komm, setze dich hier zn mir. Wir wollen einmal sehen, waö au dem Malheur Schuld ist. Da, siehst Dn, das Loch in der Wand, in welchen! der Nagel,deS Bildes stak, ist allmälig weiter und weiter ausgebröckelt, der Nagel verlor nach und nach seinen Halt, bis er heransficl und natürlich mit ihm das Bllv."
„Alles ganz gut und schön," erwiderte die Gatlin; „warum aber du nüchterner Nationalist, lockert sich der Nagel in dem Heidelberger Schlosse und der drüben, an dem der alte Schnurrbart Marschall BorwartS hängt, nicht auch? sind doch diese beiden Bilder weit schwerer als die Photographie! Warum fallen immer nur die Bilden n»- scrcr Liebe» und Freunde von der Wand, wenn Alles zwischen Himmel und Erde so platt natürlich zugcht, wie Ihr Materialisten uns und euch selber cinredcu wollt? Nein, Hermann" — ihre Stimme wurde feierlich — „ich bleibe dabei, eS gäbt Erscheinungen. Vorzeichen, Ahnungen, durch welche die übersinnliche Welt zu--»ns spricht, --
und das Vorzeichen mit Papas Bild, dn wirst eS bald genug erfahren, ist eines von der traurigsten Art."
Ich. erklärte nun, wies komme, daß gerade die Porträts unserer Lieben der Gefahr des.HerabstürzrnS desbalb mehr anSgesetzt seien, weil man sie öfterer herabnehmc, um sie Bekannten zn zeigen, sie zn putzen, sic bei feierlichen Gelegenheiten zu bekränzen n. s. w., daß dadurch d°r Nagel mehr »nd mehr gelockert werde, bis die geringste Erschütterung der Wand Ursache sei, daß eS mit sammt dem Bilde hcrabfalle.
Meine Erläuterung schien einigen Eindruck, gemacht zu haben, daS Gesicht meiner kleinen. Frau verlor etwas von seinem sorglichen Ansdrucke, —- allein überzeugt, völlig überzeugt, bekehrt hatte ich sie nicht. Wer, kann auch die Vorurtheile und den Aberglauben eines Weibes besiegen ? Auf einmal ein kräftiger Riß an der Borsaalklingel — Anna schrak zusammen, es war, ja gewiß die gefürchtete Hiobspost — gleich darauf ein lanteS Halloh unserer beiden Jungen draußen aus. dem Corridor, und eine wohlbekannte, liebe, frische, männliche Stimme. Rasch ging die Stnbenthür ans, Curt und Max stürmten jubelnd herein. „Der Großpapa, der Großpapa! ' riefen sic, und bald hinter ihnen trat dieser rüstig und munter bei, unS ein, ohne Ahnung, welche Streiche sein Bildnis; vollführt hatte.
„Da habt ihr mich, Kinder!" sprach er heiter wie immer. „Ich komme euch unerwartet über den Hals, einen Tag früher, als ich ursprünglich wollte; aber mein alter Freund, der Justizroth S., mußte gestern Nachmittag zn einem Termin nach D. und da habe ich die -Gelegenheit ergriffen, in so lieber Gesellschaft wenigstens den halben Weg znrücklegen. Nun herzlich Willkommen und tausend Grüße, von
