Die deutschen Nationalfeste.
Der Augsburger „Allgem. Ztg." geht aus Nürnberg vom 10. Deccmber folgende Mittheilung zu, die, wenn sie auch manches Schroffe enthält, im Ganzen doch Wahrheiten ausspricht, die zum Frommen der Sache dienen. Der Artikel sagt:
„Der Stadtmagistrat hatte zum nächstjährigen deutschen Turnfest einen Beitrag von 2000 Gulden bewilligt; die Negierung als Centralbehörde faßte, laut einer hierher gelangten Mittheilung, den Beschluß: es sei von solcher Bewilligung Umgang zu nehmen.
Dieser finanzielle Punkt wird einen wesentlichen Einfluß auf den am 28. Deccmber hier sich versammelnden Ausschuß der Turnvereine ausüben, um so mehr, als man hier so gut wie anderwärts festmnde ist. Wan hat im Auslände schon oft über uns gespöttclt, daß wir im Kundgebeu des Nationalgesühls ans Festen und bei sonstigen Gelegenheiten allzu leicht der Ueberschwenglichkeit verfallen, und daß, wenn wir durch die politischen Gestaltungen ans den Weg des Praktischen gedrängt werden, nur allmälig uns ernüchtern, weil die Beschämung den schnelleren Durchbruch abhält.
Es ist wahr, wir haben, um die deutsche Einheit zu erlangen, manches Theorem schon zur Geltung zu bringen gesucht, sind aber dabei lange nicht solchen Experimenten verfallen, wie die Völker, welche an der Spitze der Civilisation zu stehen vermeinen. Gleich den Griechen, welche zur Hebung des VolkSgcistes ihre Olympischen und Py- thischen Spiele in Intervallen feierten, vermeinte man in Deutschland, durch Nationalfeste die auseinandergehaltenen Stämme des großen Vaterlandes verbrüdern zu können, und gewann zu einer Massenvereini- die Trias: Sänger, Schützen, Turner, in der Erwartung, wenn auch nicht die Föderativ-Republik, vorläufig wenigstens doch den Weg zur deutschen Einheit, und damit zur Freiheit zu finden. Bis jetzt kam weder das Eine noch daS Andere zum Vorschein, denn die Ungeduld schüttete daS Kind mit dem Bade ans.
Gewiß hätten die Nationalfeste ihr Gutes gehabt; aber abgesehen davon, daß jedes große Glied der Trias sein gesondertes Nationalfest in Anspruch nahm und sie damit sich so zu sagen Concnrrenz machten, wählte man zu kurze Zwischenräume, und anstatt der Kameraderie, machte die Großthncrei sich breit. Hatte das Nürnberger Gesangsfcst noch einen gcmüthlichen Anstrich, so hatte sich dieser in Dresden schon ganz verloren: man fand sich nicht, suchte sich auch nicht. In der Frankfurter Schützenhalle ereiferten sich die Redner für die Größe und den Weltberuf des Vaterlandes und fanden gläubige Zuhörer unter den Schützen, ans denen' einer im dithyrambischen Schwünge sogar ein Parlamentsheer ködern wollte.
In Bremen war die Halle leer von Schützen, dis nur dem reellen Gecninn nachjagten; man vernahm/von der verwaisten Rednerbühne weder zur Essenszeit noch Abends ein belebendes Wort, es herrschte ein peinlicher Ton. Da hat nun auch jede Stadt, welche mit einem solchen Fest beehrt wurde, eine Ehre darein gesetzt, sich mit möglichst vielem Pomp anfzuputzen. Die Deficits, welche sich katzenjämmerlich herausstellten, müssen andere Städte vor solcher Beehrung zurnckschrccken; sie sind in ihren Größen beschämend, gegenüber den Opfern, welche Gesammtdeutschland darbot, als es galt, den Stammesgenossen an der Elbe,Hülfe in iheer Kriegsnoth zu spenden. Wohl gab da Mancher ein Scherflein, das höher wog, als der Tribut, den sich der Wohlhabende in Nacheiferung mit dem Nachbar selbst auferlegte; aber, wo blieb im ganzen großen Deutschland die in der Hymne des meerumschlungenen Schleswig-Holstein immer und immer hinausgesungene That der reellen Hülse, der wahren Treue.? Ertnrnt, ersnngen und erknallt ans Schießplätzen kann das Deutschland, das uns Allen im Herzen entkeimt ist, nicht werden, aber errungen wird eS durch Manneswort und festes Handeln, sobald wir uns nicht mehr vom rechten Wege ablocken lassen/'
Erwähnt fei, daß von Berlin aus bereits die Anregung ergangen ist, im Jahre 1806 ein Deutsches Turnfest nicht abzuhalten, und daß der mn 28. Deeember in Nürnberg tagende Ausschuß über die Ansichten der einzelnen Turnvereine darüber unterrichtet sein wird.
Der Schiffbruch der hannoverschen Bark „Venns".
Dieser Schiffbrnch geschah unter Umständen, die gewiß das Interesse unserer Leser erregen werden, abgesehen davon, daß der Capitain der „Venus", Herr U. Tobias aus Brake, eine den meisten unserer Leser bekannte Persönlichkeit ist. Auf unsere desfälligen Bemühungen ist uns die nachfolgende, von dem Capitain und vier seiner Leute vor dem Preußischen Consular-Agenten zu Amoy abgelegte Verklarung freundlichst mitgetheilt worden. Die Thatsachen, welche diese Verklarung nöthig machten, sind derartig, daß wir uns nicht veranlaßt fanden, sie zu umschreiben, sondern lediglich dem dürren Canzleistyl der Verklarung folgen zn dürfen glaubten.
„Am 15. August verließen wir Hongkong Morgens 4 Uhr in Ballast, mit einer Kleinigkeit Ladung, nach Newchwang bestimmt. Das Schiff befand sich für die Reise in jeder Hinsicht ausgerüstet und in einem guten, dichten und seetüchtigen Zustande. Wir hatten frische Brise von W., führten sämmtliche Segel und Leesegel. Am
i 10. August frische Brise mit heftigem Gewitter; wir machten die klei- ! neu Segel fest.
Am 17. August, Morgens um 9 Uhr auf 24° 11." N. B. und 118° 20" O. lief der Wind nördlich; wir nahmen die kleinen Segel und Leesegel ein; Wind auffrischend. Um 9 Uhr 30 M. sing es an zu stürmen, der Wind lief um nach WSW. zu SO. z. O. Barometerstand 29° 60'. Wir geihten alle Segel auf, da der Sturm so schnell zunahm, daß ein Festmachen der Segel unmöglich war. Das Schiff zum Kentern liegend, und um Schiff und Ladung zu retten, kappten wir die Vorbramstenge, welche im Fallen den Top der Marsstenge und die Vormarsraa mit entzwei brach. Dies half jedoch wenig, um das Schiss aufzurichten, und mußten wir jeden Augenblick den Untergang des Schiffes erwarten. Wir kappten darauf den großen Mast, welcher gleich den Besahnmast mit fortriß und Galgen, Nagelbank und Reeling zerbrach und das Lifeboot und sonstige Theile am Schiffe zertrümmerte.
Das Schiff richtete sich nunmehr wieder auf. Das Rack und Topnant der Fockraa brach und die Raa kam aufrecht zu stehen, wodurch der Fockmast sehr beschädigt wurde. Das Schiff fing an, stark nach Lee zu treiben, wir hielten es deshalb für's Beste, die Fock und LaS Vormarssegel abzuschneiden. Barometer 29° 56". Gegen 2 Ubr Nachmittags wurde das Wetter etwas handiger; wir laschten die Mars- uud Fockraa an den Mast fest. Der Sturm nahm jedoch wiederum im höchsten Grade zu. Barometer 29° 52'. Das Schiff machte wenig Wasser. Wir lagew die Nacht über bcigedreht mit hoher See und sehr stürmischem Wetter.
Am 18. August Morgens sahen wir Land. Wind und Seegang abnehmend. Wir nahmen die Stücke der Marsraa an Deck und machten die Fockraa in Ordnung, um den Fock brauchen zn können. Wir fanden nach Land-Peilungen, daß wir uns vor der Chinchew Bai befanden; wurden durch Süd-Ost-Wind und hohem Seegang nach Land zugetrieben. Wir waren unfähig, mit dem meist wrack getvordcnen Schiffe uns von der Küste frei zu halten, nnv beschlossen darauf, in der Bai Schlitz zu suchen. Uni 11 Uhr Vormittags hißten die Fock unter die Raa und hielten ab, uni einen Ankerplatz zu suchen. Wir ankerten darauf in 3'/- Faden Wasser zwischen Klippen, da wir ohne Lootsen keinen besseren Platz erreichen konnten.
Nicht weit von uns lag ein Schooner, und in der Meinung, daß. dies ein Opium-Schooner sei, begab ich mich mit einem der inzwischen an Bord gekommenen chinesischen Boote an Bord desselben, um Hülfe zu suchen. Nachdem ich längs Seite des Schooners gekommen, fand ich keine Besatzung ' an Bord, sondern Hunderte von Chinesen mit Plündern der Ladung und Abbrechen des Schiffes beschäftigt. Ich machte daraus den Chinesen verständlich, mich wieder an Bord meines Schiffes zu setzen, wurde aber statt dessen von deu Bootsleuten überfallen und in ein enges Loch im vorderen Theile des Bootes eingesperrt. Hierauf wurde ich nach dem Dorfe Chung-Chi gebracht und dort in einem Hause gefangen gehalten.
Die Chinesen verlangten von mir, während sie mich meines Re- volvers und sonstiger Sachen beraubten, daß ich ihnen das Wrack meines Schiffes abtrete und ihnen dabei behülflich sei, dasselbe in eine unweit des Dorfes befindliche Bucht zu bringen. Um meine Freilassung zn erlangen und mein Leben zn retten, versprach ich dies zu thnn.
Ich wurde hierauf am 19. August Morgens von den Chinesen wieder an Bord niemes Schiffes gebracht und fand den Capitain und die aus neun Mann bestehende Besatzung des gestrandeten englischen Schooners „Sir William Wallace" an Bord meines Schiffes und zwar in einem ausgeplünderten, fast nackten Zustande. Wir beschlossen nunmehr, durch die erlangte Hülfsmannschaft ermuthigt, das Schiff gegen möglichen Ueberfall zu schützen und abzuwarten, ob ich von Amvy, wohin ich über Land einen Brief durch einen Boten gesandt, Hülfe erhalten könne.
Den 23. August zunehmender Sturm aus NO.; wir ließen das zweite Anker fallen. Barometer 29° 60'. Gegen 3 Uhr orkanartiger Sturm. Wir hatten 60 und 80 Faden Kette aus, das Schiff trieb aber dessen ungeachtet und zwar auf einige hinter dem Schiffe liegende Klippen zu, glücklicher Weise hielten die Anker, als wir nur noch circa 15 bis 20 Fuß von den Klippen entfernt waren. 6 Uhr Wind abnehmend; Mitternacht flauer. Barometer stieg bis 29° 74'. Während der Nacht versammelten sich eine Menge Chinesen am Strande und auf den Klippen, und waren wir gezwungen, die ganze Mannschaft auf Deck zu halten, um einen Ueberfall zu verhindern.
Den 24. August schönes Wetter. Wir setzten einige Reserve- Spieren als Nothmasten auf, brachten einige Segel an, lichteten die Anker, fanden an einem derselben den Stock gebrochen, und segelten einige Kabellängen vou den Klippen ab, wo wir wieder ankerten.
Den 27. August kam ein kleiner chinesischer Zolldampfer ein. Der Capitain desselben fragte uns, ob wir Proviant gebrauchten; konnte uns sonst aber keine Hülfe geben. . .
Den 28. Abends kam eine Hamburger Brigg in die Bucht hinein und ankerte circa zwei Meilen nördlich von uns.
Den 29. August, Morgens bei Tagesanbruch, kamen der Capitain der Hamburger Brigg „Superb" und ein Agent der Herren. Pasedag L Co. in Amoy an Bord und boten uns an, uns und die Mannschaft des englischen Schooners nach Amoy zu bringen. Nachdem ich mit Zuziehung der beiden Capitaine unser Schiff genau überholt und
