Mandant sehr bedenkliche Instruktionen hinsichtlich meiner vom Grafen zu Dohna, damals kommandirenden General des 1. Armeekorps, ge­genwärtigem Generalfeldmarschall, erhalten habe. Den Offizieren Mar­der Umgang mit mir durch Parolebefehl streng untersagt und den auf der Festung befindlichen Staatsgefangenen, zu deren Kategorie ich ge­hörte, hatte man, seit ich der dortigen Kommandatur angemeldet wor­den, manche bisher stillschweigend geduldete Vergünstigungen und Frei­heiten wieder entzogen was diese keineswegs meiner Ankunft mit einem freundlichen Vorurtheile entgegen sehen ließ. Vor Allem aber wurde mir mit Bedauern erzählt, daß ,,oben," wie man nuten in der Stadt die Festung bezeichnet, ganz der üblichen Praxis zuwider, eine Kasematte, in welcher bisher nur die schwersten und gefährlichsten Verbrecher ein dingfestes Unterkommen gefunden hätten, zu meiner Aufnahme eingerichtet worden wäre.

Die Nachrichten kamen mir nicht ganz unerwartet. War doch schon die durch den Einspruch des Grafen Dohna bewirkte Anordnung, daß ich, statt üblicher und naturgemäßer Weise meine Strafe auf der zur Jurisdiktion des Königsberger Oberlandesgerichtes gehörigen Hafensestung Pillau abzubüßen, nach der entfernten westpreußischen Weichselfestung dirigirt wurde, eine außerordentliche zu nennen, um so mehr als sie im Widerspruche mit der vom genannten Gerichte bereits getroffenen Verfügung stand! Motiv dieser, ihrer Zeit nicht geringe Sensation erregenden Maßregel war, daß ich in Pillau, wo die zwischen Königs­berg und Elbing täglich fahrenden Dampfböte Station machen, nicht blos gar zu bequem mit meinen zahlreichen Königsberger wie Elbingcr Gesinungsfreunden kommuniziren konnte, sondern daß auch in dem Städtchen wie auf der Festung Pillau Biele der angesehensten Ein­wohner und nicht wenige Offiziere der Garnison offenkundig mir be­kannt und befreundet waren. In den Kasematten von Graudenz hielt man mich für sicherer aufgehoben.

Damals beschwerte ich mich, natürlich vergebens, beim Justiz- und beim Kriegsminister gegen diese in dem Erkcnutniß des Gerichtshofes, der mich verurtheilt hatte, weder ausgesprochene noch bezweckte Straf­schärfung, wofür ich jene Anordnung zu halten berechtigt war. Heute kann ich dem Grafen Dohna nicht dankbar genug dafür sein, daß er, wenn auch eben so sehr gegen seinen Willen als meine Erwartungen, durch meine Ueberweisung nach der Festung Graudenz mein Erinne­rungsbuch um dessen interessanteste Blätter bereichert hat. Ans er­klärlichen Gründen schweige ich hier von den eklatanten Beweisen der Gesinnungsshmpathie, die mir aus nächster Nähe und aus meilenweiter Umgebung kundgegeben wurden. Mein bloßer Aufenthalt auf der Fe­stung war für jene Gegend eine förmliche politische Agitation. Ich spreche nur von der Odyssee, die ich in meiner Graudenzer Kasematte sitzend durchmachte, die in wechselnden Bildern eine bunte Reihe origineller Menschenkäuze und ungeahnter Abenteuer an mir vvrüber- führte. Erlebte ich doch sogar im Januar 1846 den blutigen Sturm eines großen polnischen Jnsurgentenheeres gegen die Festung wenig­stens in den gewaltigen Vorbereitungen, welche gefrösten wurden, einen solchen abzuschlagen!

Am 20. November Vormittags fuhr ich zur Antretung meiner Haft in der Equipage des mir unvergeßlich im dankbaren Gedächtnis leben­den Kaufmanns W., begleitet von diesem und dem geistvollen Justiz- kommissarius H., nach der eine starke Viertelmeile von der Stadt auf hohem, schroffen Weichselufer liegenden Festung. Ich läugne es nicht, es war ein eigenthümliches Gefühl, als der Wagen von dem eine imposant weite Aussicht auf den Weichselstrom und dessen Niederungen bietenden sanft ansteigenden Wege Plötzlich über eine Zugbrücke in die Barriere des ersten Festungsaußenwerks einbog und zwischen den schar­fen Mauerwinkeln und steilen Walldossirungen der Reduits, Lünetten und Ravelins hindurch endlich in das tief, wie ein Fclstunnel dunkle Thorgewölbe der inneren Festung hineinrasselte. Jndeß stellte sich doch der Platz, mit dessen Topographie mich meine beiden Begleiter vertraut machen wollten, bevor ich dessen unbeweglicher Insasse wurde, dem ersten von der Neuheit überraschten Blicke nicht so ganz unfreund­lich dar. Die ringsum unter der rasenbewachsenen Wallerde in for- tifikatorischen Linien sich brechenden Kasemattenfaoaden mit ihren zahl­losen, schießschartenartigen Fenstern machten den Tataleindruck eines rie­steren und antiquirten Palastes von gar barocker Architektur. Bon dem Oberthore, durch das wir eingefahren waren, führte als längster Durchmesser des Platzes eine etwa 600 Schritt lange Pappelallee, an welcher das an den beiden Schildwachen kenntliche Kommandanturge- bäude und einige gemächliche bürgerliche Häuschen lagen, nach dement­gegengesetzten Niederthor. Ein drittes, das Wasserthor, befand sich an der sogenanntenFestungskehle," die auf dem steilen mehrere hundert Fuß hohen Weichselufer gleich einer Mauerkrone saß. Man hatte durch dasselbe, wie durch einen rundbogigen Bilderrahmcn, eine prächtige Aussicht auf die sich weit hinstreckenden Weichselkampen mit ihren schim­mernden Dörfern und Gehöften. Auf der Illaos ä'arrnss, einem geschlossenen Polygon gegenüber der Festungskehle, stand unter zahllo­sen Pyramiden von Geschützkugeln jeglichen Kalibers ein im steifen sol­datischen Trophäenstile ausgeführtes eisernes Monument für den bra­ven Verthcidiger der Festung, den Feldmarschall L'Homme de Cour- biöre,König von Graudenz," wie er sich dem französischen Belage- rnngskorps gegenüber nannte und Unterzeichnete. Jene Franzosen des Jahres 1807 waren aber eigentlich großherzoglich hessische Truppen vom Rheinbunds-Kontingent.

(Fortsetzung folgt.)

Der Frei kauf.

Eine ukrain'sche Volksgeschichic.

AnS dein Kleimmsflschen des Mark Wowtschka von I. S. Turgimiei». Ins Deutsche übersetzt Non H. t>. Lankenau.

(Fortsetzung.)

Nun, und wir saßen nun so und saßen sahen einander noch einmal an.

Also so gehts, Bruder!" sagte Kochan.

Ja, so geht's, Bruder!" antwortete ich ihm.

Die Kochanescha brachte das Abendessen und setzte dm Brannt­wein auf den Tisch.

Noch ein Schälchen voll, Gevatter, der Weg war weit!" sagt die Köchanischa,der Wind kalt, Ihr werdet, glaube ich, müde sein."

Ach, Herrin-Mütterchen", antworte ich ihr,wer Gott fürchtet, dem ist kein Weg zu ihm zu weit" (Sprichwort), und trank ein zweites Schälchen voll.

Unterdessen fragte der Alte meinen jungen Burschen, ob Alles gut gehe, ob er gut verdient habe.

Jacob war nämlich auf Arbeit in Kiew gewesen. Unsere Herr­schaft pflegte uns gegen jährlichen Zins, den sie selbst bestimmte, ab- znlassen. Jacob hatte nun in diesem Jahre ziemlich viel über seinen Zins hinaus erarbeitet. Er hatte gearbeitet wie ein Pferd, und so war es ihm auch gelungen.

Gott fei Dank", sagte Jacob, nahm das Geld aus seiner Mütze, legte es vor dem Alten auf den Tisch, verbeugte sich vor ihm tief und wartete.

Der Alte drehte nur seinen grauen Schnurrbart.Geld" ! sagte er.

Jacob verbeugte sich wieder.

Meine ganze Hoffnung", sagt er,ruht in Eure» Händen, mein Vater.

Martha aber steht dabei, mäuschenstill, spitzt die Ohren, nun, gerade wie ein Wachtelchen. Sie horcht, ohne zu athmen. Und die Mutter blickt uns auch mit ihren nußbraunen Augen au.

So es Gott wohlgefällt," sage ich,gehen wir morgen zur Herrin und dann kommen wir zu Eure Gnaden, ich als Freiwerber, wie's die Sitte verlangt, nach den Handtüchern."

Mag Jacob mit Gott sein Heil versuchen," sagt der Alte. Kaufst Du Dich frei, Jacob, nun, so wirst Du mein Schwiegersohn; wenn nicht, so ist Gottes Wille, daß es nicht sem soll,; aber einem Leibeigenen gebe ich meine Tochter nie und nimmer. So habe ich früher gesagt, so sage ich auch jetzt, und mit diesem Worte sterbe ich. Sie ist von gutem Kosackenblute, und ich, mit meinen grauen Haaren, werde mein Geschlecht nicht in Unehre bringen, es nicht erniedrigen. Nein, nichts Herrlickeres und Höheres gibt es auf der Welt, als ein Kosack."

Dabei reckte er sich in seiner vollen Länge aus, fast bis zur Decke, hob Leu Kopf hoch, die Augen glänzten und die Stimme klang wie eine Glocke so hell. Ganz jung sah er aus, wie Wenns gegen den Türken in den Krieg gehen sollte.

Nein, nein, Niemand ist herrlicher und tapferer als ein Kosack", fiel leise und beifällig seine Frau ein.

Mein Bursche wurde bleich wie ein Leintuch, Martha ebenfalls stand unbeweglich und mit gesenkten Augen.

Und was fehlt denn Jacob, daß er kein Kosack Ware?" sage ich dem Alten.Seht ihn nur an, von welchem Schlage der ist. Was fehlt ihm zu einem Kosacken? Laß Martha selbst sagen!"

Martha aber sagte kein Wort, bedeckte sich nur das Gesicht mit ihrem Spitzenärmel und ging zur Hütte hinaus.

Nun, und wie bleibt es denn also, Pan Bruder?" fragte ich.

So wie ich gesagt habe, so bleibt's: geht zur Herrin und ver­sucht Euer Glück."

And wenn die Brut des Bösen viel verlangt?

Wenn sie nur verlangt; auf Geld soll's nicht ankommen, ich geb Geld."

Nun, dafür Dank, Bruder!" sage ich.Du bist, wie ich sehe, ein achter Kosack!" Sillhst stieß ich dabei meinen Burschen an: ,,Siehst Du Wohl?"

Lustiger und Wühler war uns ums Herz. So tranken wir noch Jeder ein Schälchen Branntwein und fingen an zu berathen, wie wir es Wohl der Herrin am besten beibringen könnten, was wir ihr sagen und bieten sollten.

Die Köchanischa ging zu ihrer Tochter hinaus; gewiß setzten sie sich irgendwo in den Garten und sangen zusammen Klagelieder, denn wir sahen sie schon nicht mehr an jenem Abend.

3.

Der Alte führte uns zur Nacht in den Schoppen. Wir legten uns auch gleich schlafen. Mein Bursche aber hatte keinen Schlaf, ich höre, wie er sich im Heu hin- und herwälzt, laut seufzt und endlich aufsteht und hinausgeht.